Anpassungsbedarf bei Abfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen

12.02.2017 13:03

1. Ausgangslage

Gesellschaftsverträge enthalten in der Regel Klauseln, die bestimmen, dass die Abfindung, die ein Gesellschafter im Falle seines Ausscheidens aus der Gesellschaft (GmbH oder Personengesellschaft) erhält, unterhalb des Verkehrswerts (z. B. in Höhe des Buchwerts) liegen soll. Motivation ist gewöhnlich die Idee, die Liquidität der Gesellschaft zu schonen. Dies hat seit der Erbschaftsteuerreform steuerliche Auswirkungen auch für die verbleibenden Gesellschafter: Die Differenz zwischen dem Verkehrswert und der Abfindung nach dem Gesellschaftsvertrag gilt nämlich von Gesetzes wegen unwiderlegbar als Schenkung des ausscheidenden Gesellschafters an die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter (fiktive Schenkung nach § 7 Abs. 7 ErbStG). Sind die verbleibenden Gesellschafter mit dem Ausscheidenden nicht näher verwandt und zählen zur Steuerklasse III, ist die fiktive Schenkung mit einem Steuersatz zwischen 30 % und 50 % (!) zu versteuern.

 

 

2. Anpassungsbedarf

a) Bewertungsverfahren

Sollte ein Gesellschaftsvertrag zur Berechnung der Abfindung z. B. auf das sog. Stuttgarter Verfahren verweisen, besteht dringender Handlungsbedarf! Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens im Kontext der Erbschaftsteuer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Daher wurde das Stuttgarter Verfahren durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 abgeschafft. Dadurch kommt es zwangsläufig zu Rechtsunsicherheiten, wie die Abfindung zu berechnen ist. Welche neue Bemessungsgrundlage anstelle des Stuttgarter Verfahrens im Einzelfall treten soll, bedarf einer sorgfältigen Prüfung und Beratung.


b) Praktische Gestaltungsmöglichkeiten

Gesellschaftsverträge sollten so gestaltet werden, dass Sachverhalte, die zu einer fiktiven Schenkung führen, insgesamt vermieden werden. Hierzu sollten Regelungen vereinbart werden, die es ermöglichen, dass der Anteil des betroffenen Gesellschafters durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung übergeht, also weder von Gesetzes wegen übergeht noch (wie z. B. im Falle der Einziehung) erlischt. Hierzu kommen z. B. folgende Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht:

Bei Personengesellschaften kann durch kluge Gestaltung des Gesellschaftsvertrages vermieden werden, dass es im Falle des Ausscheidens zu einem automatischen Anwachsungsvorgang kommt. Dies kann z. B. durch Fortsetzungsklauseln erfolgen, die bestimmen, dass der Anteil des Ausscheidenden fortbesteht und auf einen oder mehrere Rechtsnachfolger übergeht (sog. Nachfolgeklauseln).

Entsprechende Regelungen bedarf es natürlich auch für die gängigsten Vorfälle unter Lebenden (Kündigung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters).

Das Ausscheiden sollte dabei insgesamt so vollzogen werden, dass der Anteil des Ausscheidenden bestehen bleibt und der Gesellschaftsvertrag für den betroffenen Gesellschafter einen Anreiz vorsieht, den Gesellschaftsanteil an Gesellschafter oder Dritte zu verkaufen. Ein solcher Anreiz kann z. B. die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Verpflichtung des Ausscheidewilligen sein, die Schenkungsteuer der anderen Gesellschafter zu tragen, falls es  zu einer Schenkungssteuerfiktion kommt. Auf diesem Wege dürfte sich das Eigeninteresse des betroffenen Gesellschafters, einer freiwilligen Anteilsabtretung bzw. einer Einziehung seines Geschäftsanteils zuzustimmen, durchaus erhöhen. Die gleiche Notwendigkeit besteht übrigens bei Abfindungsregelungen, die soweit wie möglich unter dem Verkehrswert liegen.
 

Bei GmbH-Gesellschaftsverträgen sollte darauf geachtet werden, dass neben der  Zwangseinziehung immer auch die Möglichkeit besteht, den Geschäftsanteil rechtsgeschäftlich abzutreten. Im Idealfall sollte eine freiwillige Anteilsabtretung oder eine Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters angestrebt werden, da dann keine fiktiven Schenkungen vorliegen.


3.  Fazit

Alle Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften und GmbHs sollten dahingehend überprüft werden, ob Abfindungsbeschränkungsklauseln an die Rechtslage nach der Erbschaftsteuerreform 2009 angepasst werden müssen, damit Erbschaft-/Schenkungssteuern beim Ausscheiden von Gesellschaftern vermieden werden. Sollte sich eine fiktive Schenkung gleichwohl nicht vermeiden lassen, sollten die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zumindest so ausgestaltet sein, dass die Verschonungsregelungen in Anspruch genommen werden können. Anders ausgedrückt: Der steuerpflichtige Erwerb der Differenz zwischen Abfindung und Verkehrswert kann ggf. durch die erbschaft-/schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen abgemildert bzw. ganz der Besteuerung entzogen werden. Dies gilt jedoch nur für die Fälle der Zwangsabtretung von Gesellschaftsanteilen und nicht für die Einziehung von Geschäftsanteilen, da die Verschonungsregelungen im Falle der Einziehung nicht zur Anwendung kommen. Auch aus diesem Grund sollten GmbH-Satzungen dahingehend überprüft werden, ob sie neben der Einziehung von Geschäftsanteilen auch deren Zwangsabtretung an die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter oder die Gesellschaft selbst vorsehen.